Lieber Raven, was liest du gerade?
Der Trend geht zum Zweitbuch. Zumeist bin ich parallel in einem Sachbuch und einem Roman unterwegs. Da kann man je nach Laune und kognitiven Ressourcen auswählen. Derzeit ist ersteres ›Inventing the Future‹ von Srnicek und Williams. Letzteres ist, nach diversen Empfehlungen, ›Der goldene Handschuh‹ von Heinz Strunk – ein Buch wie ein Unfall, bei dem man trotz aller Schrecken nicht wegsehen kann. Würde ich durchaus weiterempfehlen.
Liest du auf Papier oder auf einem E-Reader?
Papier, wobei ich ab und an über so einen E-Reader nachgedacht habe. Ich sehe die Vorteile, vor allem unterwegs. Aber in einem Papierbuch hat alles einen physischen Ort, das Buch hat einen Geruch und es steht im Regal und sieht gut aus. Das mag ich und bleibe daher bislang beim Papier.
Was war das letzte Buch, das du nicht bis zum Ende gelesen hast?
Kürzlich habe ich ›Catch 22‹ von Joseph Heller auf halber Strecke ausgesetzt. Das Buch baut sich sukzessive anhand der Beschreibung von Charakteren in ständig neuen Ebenen auf, die sich dann immer weiter zu einem Bild zusammenpuzzeln. Einiges davon ist interessant, anderes kommt hingegen eher willkürlich daher. In einem schwachen Moment hat mich dann plötzlich mitten im Satz die Motivation verlassen. Vielleicht mache ich aber nur Pause und führe die Sache noch zu Ende. Eigentlich bin ich beim Lesen nämlich eher der sportliche Typ, den unfertige Bücher nerven wie eine unabgeschlossene Aufgabe.
Was war das letzte Buch, das dich zum Lachen gebracht hat?
Bei ›Catch 22‹ musste ich einige Male schmunzeln. Ansonsten musste ich zuletzt auf jeden Fall bei ›Der Besen im System‹ von David Foster Wallace einige Male laut lachen. Ich glaube, es hatte mit dem sprechenden Nymphensittich und diesem unmöglichen Psychiater zu tun.
Was war das letzte Buch, das dich zum Weinen gebracht hat?
Ich könnte mich nicht erinnern, jemals bei einem Buch geweint zu haben. Ich war allerdings zuletzt bei ›Flugasche‹ von Monika Maron ziemlich ergriffen von der ineinander verwobenen politischen und persönlichen Isolation, in die die Protagonistin Josefa Nadler gerät.
Was ist deine liebste Romanfigur?
Ich musste jetzt ad hoc an Frank Lehmann denken, den Protagonisten aus Sven Regeners Romanen (bis zu ›Magical Mystery‹). In ›Neue Vahr Süd‹ war er mir derart sympathisch, dass ich wirklich traurig war, als ich nach der letzten Seite erst mal keine Zeit mehr mit ihm verbringen konnte. Man sollte aufpassen, dass man sich nicht zu sehr an fiktive Personen gewöhnt. Nach dem Buch sind die tatsächlich weg und man kann sie auch nicht anrufen.
Welches Buch empfiehlst du für einen Städtetrip nach Berlin?
Da Berlin für mich mehr Heimatstadt als Urlaubsziel ist, kann ich das schwer sagen. Allerdings habe ich mir selbst vorgenommen, die verschiedenen Bücher über die Stadt, von Walter Benjamin, Alfred Döblin, Franz Hessel, usw., mal endlich zu lesen und vor Ort wiederzufinden, sofern das geht. Daher schlage ich jetzt mal ›Spazieren in Berlin‹ von Franz Hessel vor. Das klingt doch schon, als wäre es genau das Richtige.
Manchmal schämt man sich dafür, ein bestimmtes Buch zu mögen – hast Du eins?
Ich musste mir im Zivildienst abschätzige Kommentare von meinem Chef anhören, als ich ›Betty Blue‹ von Philippe Djian gelesen habe. Das sei ja wohl mehr so Groschenromanniveau à la Konsalik. Das war mir damals unangenehm. Allerdings habe ich dann festgestellt, dass ich das Buch durchaus lesenswert fand, und seitdem vertraue ich mir da auch, so dass mir das nicht mehr peinlich ist. Allerdings werde ich wohl meinen Lebtag nie Konsalik lesen. Das muss ja wirklich ganz schlimm sein.
Gibt es ein Buch, das alle Welt liebte, nur Du fandest es doof?
Das passiert mir bei Filmen des Öfteren, aber bei Büchern ist mir das bislang noch nicht passiert, soweit ich mich erinnere.
Welches Buch sollte Deiner Meinung nach jeder gelesen haben?
Ich hoffe doch, dass jedes Kind, zumindest in unseren Breitengraden, Bekanntschaft mit Janosch gemacht hat. Wer ›Ich mach dich gesund, sagte der Bär‹ kennt, hat definitiv weniger Angst vorm Kranksein.
Welches Buch hast Du nie gelesen und wünschtest, Du hättest es?
Hegels Logik. Dafür brauche ich allerdings noch mal einige Monate absolute Ruhe bitte.
Zu welchem Buch kehrst Du immer wieder zurück?
Ein solches Buch habe ich bislang nicht. Allerdings lande ich alle paar Jahre immer wieder bei Hermann Hesse. Irgendwie hat das immer etwas Heimeliges. Hesse ist auch ein großer Held meiner Eltern und daher gehört er vielleicht ein wenig zur Familie.