Willkommen zum Leitfaden zu Charlotte McConaghys Debütroman »Zugvögel« für euren Lesekreis.
Spoileralarm: Bitte beachtet, dass folgende Diskussionsfragen wichtige Aspekte der Handlung sowie das Ende verraten.
Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen und Diskutieren!
1. Das dem Roman vorangestellte Motto stammt aus einem Gedicht von Rumi: „Vergiss die Sicherheit. / Lebe, wo du zu leben fürchtest.“ Wie zieht sich dieser Leitspruch durch Frannys Leben? Haltet ihr ihn für einen guten Rat?
2. Diskutiert den ersten Satz des Romans: „Die Tiere sterben. Bald sind wir hier ganz allein.“ Welchen Einfluss hat die Bedrohung der Tierarten und das Massensterben auf die Figuren und die Handlung des Romans? Was sind die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Frannys Welt und unserer eigenen? Würdest du diesen Roman als dystopisch bezeichnen? Warum oder warum nicht?
3. Küstenseeschwalben legen von allen Tieren die längste Wanderung zurück. Zu Lebzeiten können sie auf eine Strecke kommen, die der drei Mal vom Mond und zurück entspricht. Was symbolisieren die Küstenseeschwalben in diesem Roman, und warum sind besonders Franny und Niall so fasziniert von ihnen?
4. Das erste Mal, als Franny eine Vorlesung von Niall hört, zitiert er Margaret Atwood: „Wir haben die Vögel gegessen. Wir haben sie gegessen. Wir wollten, dass ihr Gesang durch unsere Kehle emporsprudelte und aus unserem Mund herausbrach, also haben wir sie gegessen. Wir wollten, dass ihre Federn aus unserem Fleisch sprossen. Wir wollten ihre Flügel, wir wollten fliegen wie sie, frei zwischen den Baumwipfeln und den Wolken herumschweben, und deshalb haben wir sie gegessen. Wir haben sie aufgespießt, wir haben sie erschlagen, wir haben ihre Füße mit Klebstoff bestrichen, wir haben sie mit Netzen gefangen, wir haben sie am Spieß gebraten, wir haben sie auf glühende Kohlen geworfen, und das alles aus Liebe, weil wir sie liebten. Wir wollten eins mit ihnen sein.“ Warum hat er diese Textstelle gewählt? Wie ziehen sich die Themen von Liebe und Zerstörung durch den Roman?
5. Was repräsentiert Irland für Franny? Und was Australien? Diskutiert die Bedeutung von Heimat und Zugehörigkeit in diesem Roman, und wie Frannys Suche danach ihr Leben bestimmt.
6. Franny sagt: „Wie ungerecht das ist, ein Geschöpf sein zu müssen, das lieben, aber nicht bleiben kann.“ Warum hat sie solche Schwierigkeiten zu bleiben, selbst bei den Menschen, die sie am meisten liebt? Fandest du diese Facette ihres Charakters sympathisch?
Kurz vor ihrem Autounfall sagt Niall zu Franny: „Es ist ein Unterschied, ob man Wanderfüße hat oder fortgeht. In Wahrheit hast du mich doch kein einziges Mal verlassen.“ Stimmst du zu?
7. Anik sagt zu Franny: „Je stärker man ist, desto gefährlicher wird die Welt.“ Was bedeutet das? Diskutiert diese Aussage besonders in Hinblick auf Franny und Ennis.
8. Franny ist zwiegespalten, einerseits protestiert sie gegen die umweltzerstörerischen Fangtechniken, andererseits ist sie abhängig von einem Fischerboot, um den Küstenseeschwalben folgen zu können. Sie und Niall haben gemeinsam den Großteil ihres Lebens dem Naturschutz gewidmet, obwohl ihr Lebensstil dem öfters zuwiderläuft (beispielsweise fahren sie noch Auto, fliegen, rauchen etc.) Hast du Verständnis für diese Widersprüche?
9. In der Naturschutzgesellschaft Mass Extinction Reserve ziehen die Umweltschützer die Rettung von Tieren, die der Menschheit nützen (wie z.B. Bienen), den Tieren vor, „die nur um der Existenz willen existierten, weil viele Millionen Jahre der Evolution sie zu wundersamen Geschöpfen geformt hatten“. Ist diese Priorisierung selbstsüchtig oder berechtigterweise pragmatisch? Was verlieren wir, wenn wir die Tierwelt verschwinden lassen?
10. Niall und andere Wissenschaftler des Mass Extinction Reserve streiten über die beste Methode Vögel zu schützen. Niall glaubt, dass ihnen die Wanderung von Natur aus angeboren ist, während Harriet entgegnet, sie sollten lernen sich anzupassen und ohne Zug zu überleben. Welche Seite findest du überzeugender?
11. In eine von Nialls Vorlesungen sagt er über die Tierwelt: „Sie werden gewaltsam und unterschiedslos von unserer Gleichgültigkeit hingemetzelt. Unsere Machthaber sind zu dem Schluss gekommen, dass Wirtschaftswachstum wichtiger ist.“ Wie sehr trifft das auf unsere Welt zu, in der führende Staats- und Regierungschefs über die angemessenen Reaktionen auf den Klimawandel debattieren? Was ist unsere Verantwortung gegenüber dem Planeten?
12. Franny liebt das Meer „mit jedem Atemzug, mit jedem Herzschlag“. Was repräsentiert das Meer für sie? Warum ist sie davon derart angezogen?
13. Franny beschreibt ihr Leben, bis zur der Entscheidung den Küstenseeschwalben zu folgen, als „ein Vogelzug ohne Ziel“. Warum glaubst du, verbrachte sie große Teile ihres Lebens ohne Richtung und Ambitionen? Was sind die Vor- und Nachteile solchen Existierens?
14. Wenn Ennis Franny von seiner Frau Saoirse erzählt, die ihn anflehte, sie zu verlassen, damit er nicht zusieht, wie sich ihre Huntington-Krankheit verschlimmert, reagiert Franny eisern: „Du musst zurück zu deiner Familie. Du begreifst gar nicht, wie wichtig es ist, bei ihr zu sein.“ Glaubst du, es war die richtige Entscheidung von Ennis der Bitte seiner Frau zu folgen? Ist seine Unfähigkeit zu bleiben der von Franny ähnlich?
15. Ennis erzählt Franny von Point Nemo, „der abgelegenste Ort der Welt, so weit entfernt vom Festland wie nichts anderes“. Wenn sie danach fragt, wie man sich das vorstellen könnte, antwortet er, „Nichts könnte grausamer und einsamer sein… Es ist still“. Warum fühlen sich Ennis und Franny so angezogen von Point Nemo? Welche Bedeutung hat er für den Rest des Romans?
16. Warum übernimmt Franny die Verantwortung für den Tod von Niall und Greta? Hältst du es für richtig, dass sie sich selbst die Schuld daran gab und deswegen vor Gericht auf schuldig plädierte?
17. In einigen Schlüsselmomenten des Romans, auch auf der letzten Seite, erinnert sich Franny an den Rat ihrer Mutter, auf Hinweise zu achten: „Die Hinweise auf das Leben. Sie sind überall versteckt“. Was bedeutet das? Diskutiert die Rolle zwischen Schicksal und freiem Willen im Leben der Figuren.
18. Was hofft Franny zu erreichen, wenn sie den Küstenseeschwalben auf ihrer letzten Wanderung folgt? Was ist mit Ennis? Was glaubst du, was die Zukunft für beide bereithält?