Vor zehn Jahren stieß ich zum ersten Mal auf die reale Geschichte hinter Die Leuchtturmwärter und wusste sofort, dass ich sie in einem Roman wiederaufleben lassen wollte. Unglaublich, jenseitig und zutiefst unheimlich – das »Flannan Isles Verschwinden« ist eines der berühmtesten ungelösten Rätsel, die uns bis heute heimsuchen. Im Jahr 1900 verschwanden drei Leuchtturmwärter – James Ducat, Thomas Marshall und Donald McArthur – von einem abgelegenen Posten auf den Äußeren Hebriden. Bis heute wurden sie nicht gefunden.
Seltsame Details umgeben das Verschwinden der Männer – das Eingangstor zum Leuchtturm war verschlossen, die Uhren im Inneren waren stehen geblieben, und Besucher der Insel behaupten, drei große Vögel gesehen zu haben, die über dem Turm kreisten. Seit Jahrzehnten verdichten sich die Gerüchte darüber, was den Wärtern zugestoßen ist: von prosaisch (eine schwere See überraschte sie) über Verschwörungstheorien (waren ausländische Spione dafür verantwortlich?) bis hin zum Übernatürlichen. Ob Geister oder schlechtes Wetter, das Verschwinden hat in mir eine Faszination ausgelöst, nicht nur für Leuchttürme, sondern auch für die Menschen, die in ihnen lebten und arbeiteten. Heute ist jeder Leuchtturm in Großbritannien automatisiert. Aber damals, 1972, in der Zeit, in der Die Leuchtturmwärter spielt, lebten drei Männer in totaler Quarantäne zusammen. Wie wirkte sich das auf ihren Geisteszustand aus?
Für einen Autor sind wenige Denkmäler so symbolträchtig wie Leuchttürme. Leuchttürme stehen für Licht an dunklen Orten, für Hoffnung, Stärke und Widerstandskraft. In dieser Hinsicht war das »Flannan Isle Verschwinden“ nur ein Teil meiner Inspiration – der andere war ein länger anhaltendes Interesse an den Geheimnissen des Meeres, an der salzigen britischen Küste, die eine so besondere und spezifische Atmosphäre hat, und daran, wie gewöhnliche Menschen Wege finden, mit den außergewöhnlichsten Umständen fertig zu werden. Meine Leuchtturmwärter – Arthur, Bill und Vince – verschwinden spurlos vom Maiden Rock, einer isolierten Seestation fünfzehn Meilen vom Land entfernt. Wie muss es wohl gewesen sein, auf einem Turm mitten im Ozean zu leben, ohne Ausweg, beengt und klaustrophobisch, in Räumen, die kaum zwölf Fuß breit sind?
Die Einstellung und Sensibilität von Leuchtturmwärtern hat mich inspiriert – was ein Mann in seinem Inneren brauchte, um diesen Job zu machen, um wochenlang, manchmal monatelang, von Freunden und Familie getrennt zu sein. Mehr noch, wenn ein Mann das Meer suchte, wenn er sich nach Einsamkeit sehnte, wovor rannte er davon, oder wohin? Je mehr ich über das Geheimnis von Flannan Isles recherchierte, desto heller leuchtete meine Vorstellung davon auf, was an jenem schicksalhaften Tag geschehen sein könnte.
»Männer sollten nicht dazu gebracht werden, diesen Job zu machen«, sagt eine Figur in Die Leuchtturmwärter. »Das ist kein normaler Zustand für einen Menschen.« Obwohl ich den ersten Entwurf bereits 2018 geschrieben habe, lange bevor die Pandemie zuschlug, stehen wir alle durch einen seltsamen Zufall jetzt vor den Herausforderungen dieser Wärter. Deshalb inspirieren mich Leuchttürme heute mehr denn je, weil sie uns daran erinnern, die Laterne brennen zu lassen. Sie versprechen, dass Hilfe kommen wird, wilde Wasser vorbeiziehen werden und die Morgendämmerung gleich hinter dem Horizont liegt.