Hinter den Kulissen

#HosemannsPapierkorb (8 a)

Jürgen Hosemann ist Lektor. Am Ende des Tages landen seine Notizen über Lesen, Schreiben und alles, was dazugehört, in seinem Papierkorb – wo wir sie aber nur zu gern wieder herausfischen. Auf Twitter unter #HosemannsPapierkorb ganz aktuell, hier schön beisammen.

In der Gruppe »Menschen, die immer schon mal ein Gedicht schreiben wollten, es aber aus verschiedenen Gründen nie konnten« fühlte sich Julia genau richtig. 

 

An diesem Abend las ich das gesamte 14. Kapitel, aber es ging nicht ohne Alkohol und Snacks.

 

Der gereimte Erotikthriller mit eingestreuten Kochrezepten gehört zu den literarischen Formen, die sich am Markt nicht durchsetzen konnten. 

 

Es war für die Zuhörerinnen der Lesung ein großes Glück, dass der angekündigte innere Monolog des Autors innen blieb. 

 

Die Schönheit und Tiefe uralter Wörter: »okidoki«, »futschikato«, »schmackofatz«.

 

Trotz Power ohne Ende war Robert offenbar nicht gewillt, im Literaturbetrieb dauerhaft an seine Leistungsgrenze zu gehen, wie das Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zeigte (»Im Juli fahr ich erst mal mit der Doris nach Amrum«). 

 

Wir halten die Auflage bewusst niedrig, um Dein Buch zu einer echten Kostbarkeit zu machen, zu etwas ganz Besonderem, und natürlich auch, weil es die meisten ja eh nicht interessiert. 

 

Schreiben ist sicher einer der interessanteren Wege in die Erfolglosigkeit. 

 

Da niemand meine »Aufzeichnungen eines neurotischen Mannes Anfang fünfzig« lesen wollte, habe ich sie eben selbst gelesen. 

 

Am Abend schaust Du auf die Bücher im Regal. Du denkst: Was hättest Du alles machen können, wenn Du sie nicht gelesen hättest. Aber was hättest Du denn gemacht? Vermutlich doch nur irgendwelche Scheiße. 

 

Meine erste Einschätzung des Textes (»wie zu erwarten grauenhaft«) wich allmählich einer differenzierteren Sicht (»teilweise grauenhaft«).

 

»Als Herr Bilbo Beutlin von Beutelsend ankündigte, daß er demnächst zur Feier seines einundelfzigsten Geburtstages ein besonders prächtiges Fest geben wolle, war des Geredes und der Aufregung in Hobbingen kein Ende.« – Ich kann mir nicht vorstellen, dass danach noch jemand weitergelesen hat.

 

Von den zahlreichen Kritikerreaktionen auf meinen breit rezipierten Familienroman möchte ich beispielhaft Folgende nennen: »Schon als Kind hast du deine Zeit mit Geschichtenausdenken verplempert«, »Alles gelogen, denn ich war ja schließlich dabei«, »Ich hätte Dich enterbt, wenn ich gewusst hätte, dass Duʼs aufschreibst«.

 

 

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Jürgen Hosemann

Jürgen Hosemann, geboren 1967, arbeitet nach einer Ausbildung zum Verlagskaufmann und einem Studium der Germanistik als Lektor für den S. Fischer Verlag in Frankfurt am Main. Er ist Herausgeber zahlreicher Anthologien, Mitherausgeber der Werke Wolfgang Hilbigs sowie Autor von »Das Meer am 31. August« und »Papierkorb«.