
Die Bilder der neuen Taschenbuchausgaben von Thomas Mann sind mit KI erstellt worden. Wie kam es zu dieser Idee?
Für die zahlreichen Ausgaben der Thomas-Mann-Reihe galt es, Motive zu finden, die sehr spezifische, detailreiche Situationen aus den jeweiligen Geschichten darstellen und zugleich einen stilistischen Zusammenhang erkennen lassen. Passende Motive zu finden, stellte uns vor eine große Herausforderung.
Die KI Midjourney hat sich für uns bereits in der Vergangenheit als hilfreiches Tool erwiesen. Sie ermöglicht es, sich mehr mit dem Motiv, seinen Details, seiner Komposition und dem Stil auseinanderzusetzen, anstatt viel Zeit in eine oft langwierige Bildrecherche zu investieren. Schnell war uns klar, dass wir dieses Tool für diese Buchreihe nutzen möchten.
Wie groß ist der Unterschied im Gestaltungsprozess bei der Arbeit mit KI-generierten Bildern im Vergleich zur Bildrecherche bei Bildagenturen?
Die Aufgabe bei der Erstellung eines KI-generierten Bildes konzentriert sich stark auf die Bildidee sowie das Experimentieren mit verschiedenen Techniken und Parametern, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. Dabei wird viel ausprobiert und manches wieder verworfen – doch da dieser Prozess aktiv gestaltet wird, bringt einen das Experimentieren immer einen Schritt näher ans Ziel.
Die Bildrecherche hingegen ist oft ein langwieriger und mühsamer Prozess – die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Man verbringt viel Zeit damit, sich durch Bildpools sowie Fotografen- und Illustratoren-Portfolios zu scrollen, ohne die Sicherheit zu haben, ein wirklich passendes Motiv zu finden. Gerade für eine Reihengestaltung ist das eine besondere Herausforderung, insbesondere dann, wenn das Motiv sehr spezifisch sein soll.
Wie viel Eigenleistung steckt in diesen Bildern? Wie viel muss nachbearbeitet und retuschiert werden?
Die Arbeit an einem KI-Bild erfolgt in mehreren Stufen: von der wohlüberlegten Formulierung des Prompts über das Testen und Justieren innerhalb der KI bis hin zur finalen Bildbearbeitung. So entsteht ein gut steuerbares Ergebnis, das sowohl Kreativität als auch handwerkliches Können erfordert. In diesem Prozess steckt viel Eigenleistung – sogar mehr qualitative Eigenleistung als bei einer herkömmlichen Bildrecherche.
Fällt durch KI-generierte Cover die Arbeit des Umschlaggestalters bald gänzlich weg?
Auf keinen Fall. Wir sehen KI als ergänzendes, hilfreiches Tool, zum Beispiel für die Bildgenerierung. Die Covergestaltung ist ein komplexer Prozess, bei dem verschiedene Bereiche ineinandergreifen: Komposition, Auswahl und Satz der Typografie, Farbgestaltung, Weiterentwicklung und Interpretation einer Bildidee. Dabei geht es nicht nur um Ästhetik, sondern auch darum, ein bestimmtes Gefühl zu vermitteln, eine definierte Zielgruppe anzusprechen, die visuelle Sprache des Verlags zu treffen und sich in einem großen Buchmarkt abzuheben.
Eine KI kann diese Nuancen nicht in vollem Umfang leisten. Sie kann den Weg zum Ergebnis effizienter gestalten, aber den kreativen Gestaltungsprozess nicht ersetzen.