»Ich fühle mich meiner Zeit nicht sehr zugehörig, und doch sind meine Arbeiten nur als Antwort auf die heutige Zeit zu verstehen«, sagte Anita Albus vor wenigen Jahren in einem Interview des ZEIT-Magazins. »Es ist zeitgemäß, auf die Schönheit der Dinge hinzuweisen, die wir im Begriff sind, zu zerstören und zu verlieren.«
Darum also ging es Anita Albus als Malerin und als Autorin: hinzuweisen auf die vergängliche und bedrohte Schönheit der Dinge. Auf die Schönheit der Kardendistel zum Beispiel oder des Karolinasittichs, auf die Schönheit des Isabellaspinners oder des Zwergseidenäffchens.
Wie keine andere Autorin der Gegenwart verband Anita Albus naturkundliches Wissen und historische Bildung mit dem genauen, liebevollen Blick einer Künstlerin, die nicht nur mit Farben, sondern auch mit Worten malte. Mit der Chemie von Pigmenten kannte sie sich genauso aus wie mit Vergil und Ovid. In ihrer beeindruckenden Bibliothek in der Münchner Wohnung standen die Naturgeschichten und Reiseberichte von Buffon bis Merian und Darwin genauso wie Goethe und Proust, Tania Blixen und Emily Dickinson. Mit ihrem eigenen Schreiben reihte sie sich so selbstbewusst wie unaufdringlich in eine große Tradition des Nature Writing ein. Genauigkeit war ihr dabei wichtiger als Naturschwärmerei. Bei aller Präzision aber ließ sie den Pflanzen und Vögeln, den Schmetterlingen und Affen, von denen sie erzählte, stets ihren Zauber, ihr Geheimnis.
Berühmt wurde Anita Albus vor allem durch ihre augentäuschenden Naturdarstellungen, die vielfach ausgestellt wurden. Neben der Malerei hat sich Anita Albus auch früh der Literatur gewidmet, einen Roman und Erzählungen geschrieben und mehrfach ausgezeichnete Essays verfasst. Bei S. FISCHER erschienen u.a. die Bücher »Von seltenen Vögeln« (2005), »Das botanische Schauspiel« (2007), »Sonnenfalter und Mondmotten« (2019) und »Affentheater« (2022). Ausgezeichnet wurde sie u.a. mit Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (2014) und dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay (2004).
Julia Voss, neben Judith Schalansky und Christoph Ransmayr eine von Anita Albus’ Bewunder/innen, schrieb über sie: »Anita Albus wäre in allen Zeiten eine gute Zeugin für Vögel, Insekten oder Pflanzen gewesen. Wir haben das Glück, dass sie unsere Zeugin ist.« Am Wochenende ist unsere Zeugin in ihrer Münchner Wohnung gestorben. Das Glück, das uns bleibt, sind ihre wunderbaren Bücher.